Spezifika der Original Hoch- und Deutschmeister
Adaptierter urheberrechtlich geschützter Text aus: Raimund Sulz, Hoch- und Deutschmeisterkapelle(n) von 1918 bis 1945 – Repräsentation ‚alter‘ Werte in einer neuen Zeit (ungedr. Diplomarbeit, Universität Wien 2018).
Die Original Hoch- und Deutschmeister sind die letzten blasmusikhistorisch originalen Vertreter der ruhmreichen Militärmusik Österreich-Ungarns. Diese besaß nämlich mehrere Besonderheiten beziehungsweise Alleinstellungsmerkmale, die es wert sind, erwähnt zu werden. Das betrifft insbesondere die Instrumentation: So sind heute nach wie vor Es-Trompeten (fast gänzlich verschwunden) und Ventilposaunen statt Zugposaunen im Einsatz, ebenso wie – statt der üblichen Basstuba – das traditionelle Helikon.
Ebenso besonders ist die Stimmung der verwendeten Instrumente: Was für einen besonderen Flair der Hoch- und Deutschmeister sorgt, ist die sogenannte „hohe Stimmung“. Diese liegt einen Halbton höher als die der meisten anderen Ensembles. Sie geht zurück auf die alten Feld- und Militärmusiken, die vor allem im Freien und in der marschierenden Truppe gehört werden mussten.
„Während die Regimentsmusiken in bläserischer Formation sich dieser neuen Norm anzugleichen hatten, behielten die militärischen Streichorchester im österreichisch-ungarischen Heer die damals internationale Normalstimmung (a‘ = 435 HZ) bei.“[2]
Auch im Zeitraum von 1918 bis 1938 war die hohe Stimmung in Österreich noch selbstverständlich, da einerseits der Pflege des „alten Stils“ großer Wert beigemessen wurde, andererseits die endgültig entscheidende Stimmtonkonferenz erst 1939 in London stattfand, die seither den Stimmton verbindlich mit 440 Hertz festlegt hat. Seither wurde allmählich bei der Stimmung der Blasinstrumente Kritik laut. Hans Sittner schrieb 1946, als die hohe Stimmung in Österreich noch allgegenwärtig war, dass man aufgrund mehrerer ökonomischer Überlegungen endgültig von der hohen Stimmung Abschied nehmen sollte. Davon seien nicht nur die hochgestimmten Blasinstrumente betroffen, sondern ebenso würden sich viele Streichorchester nicht an den verbindlichen Stimmton halten und höher stimmen. Schon der weltberühmte Sänger Caruso habe sich über das (zu) hohe Stimmniveau im Wiener Staatsopernorchester aufgeregt, was für ihn nur eine zusätzliche Erschwernis und Anstrengung beim Singen sei. Ebenso hätten mehrere namhafte Dirigenten wie Furtwängler, Strauß und Toscanini die tiefe Stimmung favorisiert. Sittner schließt seinen Aufsatz mit einem Plädoyer:
„Gerade die zentrale Stellung der (zur tiefen Stimmung prädestinierten) temperierten Tasteninstrumente, das verstärkte Zurückgehen auf historische Formen weltlicher Musikpflege und manche ökonomische Erwägung sprechen für ein vernünftiges Zurückschrauben der Stimmung. Der Wiederaufbau einer internationalen Musikpflege verlangt eine optimale, allgemein verbindliche Stimmungsnorm. Es wäre nur zu begrüßen, wenn der jetzt etwas zweifelhafte Ruhm, den Österreichs Hauptstadt durch die hohe „Wiener Stimmung" in aller Welt genießt, durch das Verdienst ersetzt werden könnte, der Welt wieder eine halbwegs normale und vor allem einheitliche Stimmung nach dem Vorbild von 1885 zu geben.“[3]
Mit der nach 1945 erfolgten Hinwendung zur internationalen symphonischen Blasmusik und der Hinzunahme der dafür eigens benötigten Instrumente war die „urösterreichische“ Blasmusikstimmung und -instrumentierung allmählich nicht mehr gefragt und wurde folglich meist aufgegeben:
„Zuerst fanden Saxophone Eingang in die Blasmusik, die Es-Trompeten wurden durch B-Trompeten ersetzt, die Es-Klarinette verschwand nach und nach, das Instrumentarium wurde u. a. etwa bei den Holzbläsern durch Doppelrohrblatt-Instrumente, Altklarinette, Bassklarinette etc. ausgebaut und das Schlagwerk-Instrumentarium erfuhr eine großzügige Erweiterung. Auch Streichinstrumente wie Cello und Kontrabass fanden Eingang in das Blasorchester.“[4]
Bei der „Original Hoch- und Deutschmeister“ Kapelle des K. und K. Infanterieregiments Hoch- und Deutschmeister Nr. 4, kurz Original Hoch- und Deutschmeister, wird bis heute nicht nur eine historische Adjustierung beibehalten, sondern auch – im Gegensatz zu anderen Militärtraditionskapellen Österreichs wie den Tiroler Kaiserjägern – auch die altösterreichische Instrumentierung und Stimmung gepflegt. Die Deutschmeister sind die letzten Hüter der urösterreichischen Militärmusikblasmusiktradition und diese wird auch in Zukunft ein Markenzeichen der berühmten Deutschmeisterkapelle sein!
Diese einzigartige klangliche Tradition Österreichs hat sich bis heute bei nur mehr wenigen weiteren Vereinen und Musikgruppen gehalten, die ein anderes Repertoire besitzen:
- Musikverein Hochstrass im Wienerwald (NÖ),
- Musikverein Althofen im Bezirk Murau (Steiermark),
- die Emaus-Jünger aus Ebenau (Salzburg)[5]
- die Sonntagsmusi aus dem Mürztal (Steiermark),[6]
- die Pulkautaler Kirtagsmusik aus Niederösterreich (2013 wiederbegründet)[7]
- und die „Strebitzer“ aus dem Mostviertel (Niederösterreich)[8]
[1] Eugen Brixel, Zur Frage der Blasorchester-Stimmung im k.(u.)k. Militärmusikwesen Österreich-Ungarns. In: Wolfgang Suppan (Hg.), Kongreßbericht Abony/Ungarn 1994 (Alta Musica 18, Tutzing 1996) 127-138.
[4] Friedrich Anzenberger, Anmerkungen zur Entwicklung der Konzertprogramme unserer Blasmusikkapellen bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. In: Blasmusikforschung. Mitteilungen des Dokumentationszentrums des Österr. Blasmusikverbandes 21 (2015) 4, online unter: http://www.blasmusik.at/media/1351/blasmusikforschung_2015-07-08.pdf (30.11.2023).
[5] Renate Hinterndorfer, „Die Hochstraßer“ spielen auf bis zu 100 Jahre alten Instrumenten. In: NÖN-Online, letzte Änderung am 5. August 2023 um 00:00, online unter: https://www.noen.at/neulengbach/hohe-stimmung-die-hochstrasser-spielen-auf-bis-zu-100-jahre-alten-instrumenten-379316637 (30.11.2023).
[6] Sonntagsmusi – Edlerisch aufg’spielt. In: rudolfgstaettner.at/tontraeger, hg. von Mag. art. DDr. phil. Rudolf Gstättner, online unter: http://www.rudolfgstaettner.at/tontraeger.html (30.11.2023).
[7] Kirtag anno dazumal - Musikalische Zeitreise in die Vergangenheit. In: Der Pulkautaler, Jg. 20, Nr. 1 (März/April/Mai 2013) 5, online unter: https://www.hadres.at/pages_file/de/799/Pulkautaler_1_2013.pdf (30.11.2023).
[8] Die Strebitzer – Eine Dorfkapelle auf historischen Instrumenten. In: www.schloss-kremsegg.at, hg. von Musica Kremsmünster – Schloss Kremsegg, Musikinstrumenten-Museum, online unter: https://www.schloss-kremsegg.at/Files/KREMSEGG/Die%20Strebitzer%20Flyer.pdf (30.11.2023).